Museum für Naturkunde Berlin
Neue Ursaurier-Art aus der 290 Millionen Jahre alten Bromacker-Fossilfundstätte (unteres Perm) gibt Aufschluss über die Evolution der Pflanzenfresser und frühe Landwirbeltier-Ökosystem. Eine Studie, die von Forschenden des Museums für Naturkunde Berlin (MfN) und der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) durchgeführt wurde, enthüllt eine neue Art eines frühen Ursauriers aus der Bromacker-Fossilfundstätte in Thüringen. Erstautor und Doktorand Jasper Ponstein und seine Kollegen untersuchten fossile Schädel und Unterkiefer der frühen pflanzenfressenden Ursauriergruppe der Diadectomorpha. Am Bromacker wurde damit eine dritte Art innerhalb dieser Gruppe identifiziert, die wiederum als neue zweite Art innerhalb der Gattung Diadectes zugeordnet wurde. Dies ergänzt die bereits artenreiche Tierwelt dieses von Pflanzenfressern dominierten Ökosystems aus dem unteren Perm. Die Ergebnisse wurden diese Woche in der Zeitschrift Royal Society Open Science veröffentlicht.
Die Bromacker-Fossilfundstätte im UNESCO Global Geopark Thüringen Inselsberg – Drei Gleichen, stellt ein in dieser Form einzigartiges, fossiles Ökosystem dar, das eine artenreiche, frühe Landwirbeltierfauna beherbergt. Seit 2020 ist sie Gegenstand eines laufenden, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung(BMBF) geförderten Forschungsprojekts in Zusammenarbeit zwischen dem Museum für Naturkunde Berlin, der Friedenstein Stiftung Gotha (wo die Fossilien untergebracht sind), der Friedrich-Schiller-Universität Jena und dem Geopark. "Das BROMACKER-Projekt ist ein Paradebeispiel für ein innovatives und interdisziplinäres Forschungs- und Wissenschaftskommunikationsprogramm, das auf einer mehrere Jahrzehnte dauernden internationalen Zusammenarbeit aufbaut", sagt Projektleiter Prof. Jörg Fröbisch.
Seit den 1990er Jahren haben Paläontolog:innen fossile Exemplare von Diadectes aus dem Bromacker beschrieben und sie einer einzigen Art zugeordnet: Diadectes absitus. Diadectes gehört zu den Diadectidae, einer Gruppe schwer gebauter Tetrapoden mit massiven Kiefern und backenzahnähnlichen Zähnen, die Pflanzenmaterial zerkleinern können. Zu den Diadectomorpha gehören die frühesten bekannten pflanzenfressenden Landwirbeltiere, die sich vor 305 Millionen Jahren in Nordamerika während des späten Karbons entwickelten. Während des späten Karbons und eines Großteils des frühen Perms blieben Pflanzenfresser ein seltener Bestandteil ihres jeweiligen Ökosystems.
Die 290 Millionen Jahre alte Bromacker-Fossilfundstätte ist berühmt dafür, dass sie das früheste Ökosystem bewahrt, in dem pflanzenfressende Wirbeltiere in großer Zahl vorkommen, was den Ursprung der modernen Nahrungspyramide moderner Landökosysteme dokumentiert. Die Funde von Pflanzenfressern am Bromacker umfassen zahlreiche und hervorragend erhaltene Skelette der Diadectomorphen wie Diadectes absitus und Orobates pabsti, des dickbäuchigen Caseiden Martensius bromackerensis und des kleinen, flinken, echsenartigen Bolosauriden Eudibamus cursoris.
Das Team setzte traditionelle paläontologische Techniken in Kombination mit Computertomographie (CT) ein. Im CT-Labor des Berliner Naturkundemuseums untersuchten die Forschenden verschiedene Schädel der Diadectomorphen, darunter Orobates und Diadectes vom Bromacker. "Diese Schädel sind so erhalten, dass die Kiefer fest mit dem Schädel verbunden sind. Wichtige Merkmale, die mit der Ernährung zusammenhängen, wie die Zahnreihe und die Form des Kiefergelenks, sind durch den Schädel verdeckt", sagt Jasper Ponstein. "Anhand der CT-Scans konnten wir diese Bereiche rekonstruieren und die verschiedenen Exemplare und Arten miteinander vergleichen".
Die CT-Scans zeigen, dass die Bromacker-Diadectomorphen eine gewundene Zahnreihe im Unterkiefer, zwei Reihen kegelförmiger Zähne im Gaumen und einen langen, schaufelartigen Fortsatz am Kiefergelenk haben. Die Zähne des Unterkiefers sind weit voneinander entfernt, um die Kaufläche zu vergrößern. Dieser schaufelartige Fortsatz des Kiefergelenks trägt zur strukturellen Unterstützung des Kiefers beim Kauen bei. Diese Anpassungen ermöglichten den Diadectomorphen, Vegetation effektiver zu zerkleinern. Darüber hinaus zeigen die CT-Scans einige Ersatzzähne im Gaumen, was darauf hindeutet, dass die Diadectomorphen gelegentlich auch ihre Gaumenzähne ersetzt haben.
Die neuen Beobachtungen zur Schädelanatomie von Diadectes veranlassen Ponstein und Kollegen zu der Schlussfolgerung, dass es genügend Unterschiede zwischen den Schädeln gibt, um eine neue Art zu benennen: Diadectes dreigleichenensis. "Wir haben die Art nach dem UNESCO Global Geopark Thüringen Inselsberg – Drei Gleichen benannt, in dem sich auch die weltberühmte Bromacker-Fossilfundstätte befindet. Der Artname leitet sich von „Drei Gleichen“ ab, in Anlehnung an die scheinbar ähnlich aussehenden drei Diadectiden vom Bromacker, die wie drei ikonische mittelalterliche Burgen, die jeweils auf einer Bergkuppe zwischen Gotha und Erfurt und innerhalb des Geoparks liegen", sagt Ponstein.
Die vierte Sommergrabung im Rahmen des laufenden BROMACKER-Projekts findet vom 15. Juli bis 9. August 2024 statt. Interessierte können bei deutschen und englischen Führungen an der Grabungsstelle den Wissenschaftler:innen über die Schulter schauen oder bei Veranstaltungen für Kinder im BROMACKER lab auf Schloss Friedenstein Gotha selbst zu Forschenden werden.
Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung
Publikation: Ponstein, J., MacDougall, M.J., and Fröbisch, J. 2024. A comprehensive phylogeny and revised taxonomy of Diadectomorpha with a discussion on the origin of tetrapod herbivory. Royal Society Open Science.